Bericht von Andreas Nitsch am 21. April 2021 in der Nahe-Zeitung

Adel verpflichtet – Schloss in Sien wird restauriert
Jahrzehntelang deutete nicht unbedingt viel darauf hin, dass das stattliche Gebäude mit der Adresse Fürst-Dominik-Straße 29 in Sien einst im Auftrag eines Landesherrn errichtet worden ist, es sich dabei also um ein Schloss handelt. Als Pfarrerdomizil, Gerberei und Metzgerei wurde der noch heute imposante Barockbau genutzt, als Hotel und zuletzt als Gaststube – aber als Schloss? Diese Frage soll künftig mit einem eindeutigen Ja beantwortet werden können, denn derzeit wird das dreigeschossige Gebäude unter Beachtung der Denkmalschutzvorgaben saniert und größtenteils in den ursprünglichen Zustand zurückversetzt.

„Das Schloss übte auf uns einen unglaublichen Charme aus. Es ist ein Gesamtkunstwerk, das man nicht einfach wie ein normales Haus behandeln oder verändern darf.“ Rüdiger von Luxburg hat sich in das Siener Schloss regelrecht verliebt.

Zusätzlichen Glanz erhält das ehemalige Jagdschloss durch die neuen Besitzer Dr. Rüdiger Graf von Luxburg und seine Ehefrau, Dr. Astrid Gräfin von Luxburg. Seit dem Jahr 2004 betreibt das Ehepaar eine Agentur für Kulturerlebnisse ( ). Sie bieten Führungen und Exkursionen zu kunsthistorisch interessanten Zielen an. Historische Dinnerserien, exklusive Kunstausstellungen, Vorträge und Führungen zu verborgenen oder vergessenen Kulturorten und Adelssitzen bilden den Angebotsschwerpunkt. Das Interesse für Kultur verbindet sie entsprechend eng mit dem 1771 – vor 250 Jahren – im Auftrag von Johann Dominik Fürst von Salm-Kyrburg erbauten Schloss.
„Als wir das Schloss übernommen haben, war es von Anfang an unser Wunsch, das Gebäude soweit möglich wieder in den ursprünglichen Zustand zu versetzen. Das Schloss übte auf uns einen unglaublichen Charme aus. Es ist ein Gesamtkunstwerk, das man nicht einfach wie ein normales Haus behandeln oder verändern darf“, erklärt Astrid von Luxburg. Das Gebäude habe Geschichte geschrieben für den Ort Sien und für die ganze Umgebung. „Als Kunsthistoriker beziehungsweise Kulturwissenschaftler – wir haben beide einen Lehrauftrag für Architekturgeschichte inne und engagieren uns seit Jahrzehnten intensiv im Denkmalschutz – war es uns daher klar, dass wir dem Ort wieder die Geschichte zurückgeben müssen. Allerdings konnte mit der Sanierung erst mit Auszug des noch verbliebenen Mieters begonnen werden.“ Das war Mitte 2019, ein Jahr später als geplant. Das Schloss soll in fast allen Teilen komplett zurückgebaut und in den Originalzustand versetzt werden. Dazu ist quasi eine Entkernung notwendig. Die nachträglich eingebauten Trennwände des Hotelbereichs im ersten Stock mussten entfernt werden – ebenso Türen, Bäder, Wasseranschlüsse, Heiz- körper, elektrische Anlagen sowie die nachträglich eingebauten Decken, Böden und Ständerwände. Der Gasthausbereich im Erdgeschoss wurde ebenso komplett zurückgebaut. Das heißt, nachträglich eingebaute Wände, abgehängte Decken, die Bar, die Küche mitsamt Gas- und Abzugsanlagen mussten entfernt werden, ebenso sämtliche Anschlüsse, die Elektrik, die Türen und auch der Boden, der wegen der Rohranschlüsse auf verschiedenen Ebenen angelegt war.
Durch den Abbruch der Trennwand hinter der Bar beziehungsweise der Küche (Kühlraum) konnte nun der große Bogen beziehungsweise das gesamte Treppenhaus mitsamt Eingangshalle freigelegt werden. Es bildet jetzt wieder die ursprüngliche optische Einheit. Ebenso wurde der alte Kamin freigelegt, die verschlossenen historischen Türen wurden geöffnet und der Boden egalisiert. „Ziel ist es, die historische Bausubstanz sowie die architektonische Idee des Schlosses wieder zum Vorschein zu bringen“, erklärt Rüdiger von Luxburg. Letztlich konnten Fundamente freigelegt werden, die die ursprüngliche Situation des Hauses erkennen ließen. „Dies war sehr wichtig, da keine Originalpläne mehr auffindbar waren. So lässt sich die Geschichte des Baus nun besser rekonstruieren“, sagt der Schlossherr. Momentan wird die Elektrik neu verlegt. Zudem wird eine Heizungsanlage eingefügt, damit die Putzarbeiten beginnen können.
Vorbereitungen für die neuen Böden, die an historische Bodenmuster und Materialen angelehnt werden sollen, sowie Parkett im Obergeschoss sind ebenfalls schon getroffen worden. Auch die historischen Decken werden gerade soweit möglich restauriert.
Abschluss des größten Teils der Restaurierung sollte in diesem Jahr sein – zum 250-jährigen Bestehen des Schlosses. Zu allem Unglück verzögern sich die Arbeiten nun erneut: Zum einen wegen der Corona-Auflagen, zum anderen werde es immer schwieriger, Termine bei Handwerkern zu bekommen.
„Dennoch hoffen wir, bis Ende des Jahres wenigstens das Erdgeschoss so weit hergestellt zu haben, dass das Schloss bei einer Eröffnungs- oder Jubiläumsfeier wieder besichtigt werden kann“, sagt Rüdiger von Luxburg.
Mit der Fertigstellung des Rückbaus im Jubiläumsjahr soll auch eine Ausstellung erfolgen. Ziel ist es, die Geschichte des Schlosses anhand von Plänen und Fotos zu dokumentieren. Ebenso sollen Gegenstände gezeigt werden, die während der Restaurierungsarbeiten gefunden wurden (Fliesen aus dem 19. Jahrhundert, originale Stuckteile, aber auch Steine, Bemalungsreste und Holzkonstruktionen aus der Entstehungszeit).

Das Schloss soll – so ist es geplant – Sitz der Anwaltskanzlei von Rüdiger von Luxburg sowie des Kulturunternehmens seiner Frau werden, ebenso Wohnsitz der Familie. In diesem Kontext könne das Haus auch für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Auch Führungen sind geplant, etwa am Tag des offenen Denkmals, aber auch jederzeit auf Nachfrage. Ebenso sind Vorträge oder kleinere Veranstaltungen im Erdgeschoss des Schlosses vorstellbar, vielleicht auch Tagungen, kleine Shows und Empfänge. Angedacht ist auch die Einbeziehung des Schlosses bei Weihnachtsmärkten und der Veranstaltung „Phanta-Sien“. „Denkbar ist überdies ein Kindersachenbasar, gern sind im Kaminzimmer
auch Sitzungen des Ortsgemeinderates oder ähnliches möglich. Es wird also nicht nur bei Führungen bleiben“, betont die Gräfin. Wichtig sei, dass das Schloss wieder im Mittelpunkt des Ortes und seiner Bewohner stehen soll – wenn auch nicht mehr als Gasthaus, sondern als kultureller Anziehungspunkt.
Andreas Nitsch

Restaurierung wird sich noch Jahrzehnte hinziehen
Da größere Denkmalobjekte hinsichtlich ihrer Restaurierung naturgemäß eine Lebensaufgabe darstellen, werde die Gesamtrestaurierung des Schlosses wohl noch Jahre oder sogar
Jahrzehnte in Anspruch nehmen, sind sich die Besitzer sicher. Geplant sind die Erneuerung der historische Sprossenfenster, die Freilegung des historischen Sockels mit den ehemaligen Blendfenstern, die Verlegung einer Drainage, um das Haus trocken zu bekommen, Abriss der späteren Nebengebäude (Metzgerei), Sicherung des Dachgeschosses (Gauben wieder hinzufügen, Brandschutzdämmung), Herstellung der historischen Treppenanlage, Restaurierung des Sandsteinportals und gegebenenfalls auch noch ein historischer Anstrich.
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