Ein Ausflug zum Rhein – der Reinfall von Rüdesheim
Anlass der Reise
Wir, ein Gruppe von 4 Rentnern/Pensionären, wollten in Rüdesheim Wein probieren. Und zwar speziell entalkoholisierten Wein, von dem man im Internet erfahren kann, dass er so gut schmecken soll, wie der Wein, aus dem er gewonnen wurde. Nach kurzer Suche mit „Wein ohne Alkohol“ erhielt ich im Internet die Information, dass ein Rüdesheimer Winzersohn und Weinhändler schon in 1908 ein Patent für das Vakuum-Extraktions-Verfahren erworben hat. „Dabei wird dem Wein bei unter 30 Grad der Alkohol schonend entzogen. Mit der Aroma-Rückgewinnung werden die natürlichen Weinaromen aufgefangen. Bouquet und Geschmack bleiben erhalten. Mit diesem Verfahren wurde er somit zum Erfinder des entalkoholisierten Weines.“
Ohne Probieren wollte ich keinen entalkoholisierten Wein kaufen und rief bei der Firma des Erfinders und Herstellers des entalkoholisierten Weines in Rüdesheim an. Dort erhielt ich die Auskunft, dass man bei ihnen, der Carl Jung GmbH sehr wohl Wein kaufen, aber nicht probieren könne! Probieren ginge nur in der Vinothek „RheinWeinWelt“ in Rüdesheim, eingerichtet in den Räumen der ehemaligen Asbach-(Uralt)-Brennerei gegenüber dem Rüdesheimer Bahnhof.
Eine Anmeldung sei nicht notwendig, erfuhr ich durch Anruf – und so machten wir vier Stammtischbrüder uns am letzten Donnerstag im Juli gegen 12 Uhr auf den Weg. Von der Fahrt gibt es nichts besonders zu berichten, außer dem Umstand, dass wir wegen des schlechten Wetters die Rheinfähre von Bingen nach Rüdesheim mit dem PKW benutzten.
Die Vinothek „RheinWeinWelt“
Es gab dort nicht die bei Winzern normalerweise übliche Weinprobe: „Winzer erzählt etwas von seinem Wein – Probe wird eingeschenkt – man probiert – Winzer stellt nächsten Wein vor – frisches Glas – Probe – …“ In der „RheinWeinWelt“ ist alles viel anders – total rüdesheimerisch touristisch optimiert: Selbstbedienung! Jeder von uns erwarb zehn (10) ein-Euro-große Jetons bzw. Chips (kleinstmögliche Menge) zum Preis von 10 Euro. Jeder erhielt ein Glas zum Probieren.
Die Räumlichkeiten
Das Probieren findet in Räumen statt, die rechts und links entlang eines langen Ganges liegen. An den großen Spundlochöffnungen kurz über dem Boden kann man erkennen, dass das ehemals – zu Asbach-Ural-Zeiten – Destillattanks waren; Boden, Wände und Decken komplett gekachelt. Vom Gang ist jeweils eine Türöffnung in den ehemaligen Tank gebrochen worden. In den Räumen bieten die Winzer des Rheingaus ihre Weine an. Für jeden Winzer gibt es an der Wand eine DIN-A0-große Informationstafel. Darauf Name und Adresse des Weingutes, Bild, Firmenlogo, Werbe-Text und eine Grafik, die den Verlauf des Rheines zwischen Rheinhessen, Rheingau und Mittelrhein skizziert. Unter jeder Informationstafel bietet die Winzerin bzw. der Winzer ein Sortiment seiner Weine in 6er-Kartons an, aus denen der Tourist und Käufer auch einzelne Flaschen entnehmen kann – Selbstbedienung beim Kauf.
Die Weinprobeautomaten
Die Selbstbedienung bei der Weinprobe geschieht mit Hilfe von Weinprobeautomaten. Das Prinzip der hier eingesetzten Automaten stammt noch aus dem letzten Jahrtausend! Nicht alle Winzer bieten ihre Weine zur Probe in den Automaten an. Jeder Automat ist ein kleiner metallener Kühlschrank; an der Frontseite eine getönte Glasscheibe, hinter der man 2 Kammern mit je 4 Weinflaschen erkennen kann. Jede Flasche ist über einen Zapfmechanismus mit einer Ausgusstülle in der Metallblende über der Frontscheibe verbunden. Auf dem Schrank steht über jeder Flasche im Schrank eine entsprechende leere Weinflasche, die man in die Hand nehmen kann, um das Etikett der Flasche genau studieren zu können.
Zur „Weinprobe“ kommen die Jetons/Chips zum Einsatz: In der Metallblende auf der rechten Seite befindet sich ein Einwurfschlitz für den Chip und eine Chip-Rückgabemöglichkeit. Wenn ein Chip eingeworfen wird, leuchten alle Auswahlknöpfe über den Ausgusstüllen. Hat man eine Wein ausgewählt, hält man das Weinglas unter die entsprechende Tülle, drückt darüber auf den Auswahlknopf, etwa 2 cl fließt aus der Tülle ins Glas.
Das Ergebnis unserer „Weinprobe“
Nach dem beschriebenen Procedere komme ich nun zum Ergebnis unserer „Weinprobe“. Keinem von uns haben die entalkoholisierten Wein aus den Probeautomaten geschmeckt! Sie schmeckten alle wie ein stark verdünnter, etwas säuerlicher Saft. Große Unterschiede zwischen den Sorten konnte ich selbst nicht herausschmecken. Meine drei Begleiter probierten auch normalen Wein (mit Alkohol). Begeisterung hätte anders geklungen!
Ich weiß nicht, wie die probierten Weine bei einer Winzerin / einem Winzer ohne Automat geschmeckt hätten. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass die Probieranlage dem Wein, dem Weingeschmack nicht schadet!? Jeder Probe benetzt das Leitungssystem im Innern der Anlage – auch die Auslauftülle. Dort kommt der Wein, je weniger oft er probiert wird, um so länger mit der Umgebungsluft in Berührung. Der Restwein in der Tülle verdirbt! Die bei einer Probe ausgestoßene Menge eines guten Weines ist sowieso sehr klein und wird die schlechten Weinreste in der Anlage nicht überdecken können. Dieser Effekt tritt meines Erachtens um so intensiver auf, je weniger von dem Wein probiert wird. Die Essigfliegen, welche wir um die Anlage und bei den Spuckbehältern fliegen sahen, tragen sicher auch nicht zur Verbesserung des Weines bei.
Fazit
Eigentlich kann man so etwas nur Leuten anbieten, die von Wein überhaupt keine Ahnung haben! Eben Touristen! So, wie das von einigen anderen Bereichen in Rüdesheim bekannt ist.
Anmerkung
In einem japanischen oder chinesischen Rüdesheim würde die Gäste wenigstens von Robotern bedient!
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